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Büffeln fürs Visum

Büffeln fürs Visum

Großansicht des Bildes mit der Bildunterschrift: Adieu Istanbul - viele Türken wollen nach Deutschland

Seit der Verschärfung des deutschen

Zuwanderungsgesetzes erlebt das Goethe-Institut Istanbul einen Kunden-Ansturm: "Nachziehende Ehepartner", die nach Deutschland wollen, müssen erst eine Sprachprüfung absolvieren...

 "Backe backe Kuchen, der Bäcker hat gerufen", tönt es aus dem Kursraum des Goethe-Instituts. Da sitzen erwachsene Menschen im Halbkreis, Männer in Jeans und Lederjacke, schick gestylte Frauen mit blonden Locken oder unter bunten Kopftüchern, und singen ein altes deutsches Kinderlied. Aber der Spaß am Singen will nicht bei allen aufkommen. Für die meisten Kursteilnehmer ist es furchtbar schwer, die fremde Sprache zu lernen. "Ich habe große Schwierigkeiten mit dem Wortschatz", klagt zum Beispiel der 26jährige Sunar. "Ich vergesse immer so viel. Die deutschen Wörter sehen sich alle ähnlich und sind so kompliziert!"

 

Wer als Deutscher mal versucht hat, ein bisschen Türkisch zu lernen, kann das gut nachfühlen: Ohne eisernes Auswendiglernen und Wiederholen geht nichts. Um die Prüfung zu schaffen, muss man zum Beispiel nach dem Weg fragen oder einkaufen können. Das klingt nicht unmöglich, ist aber für Einige eine hohe Hürde, erzählt Süleyman Türk, der die Sprachkurse koordiniert: "Manche lernen sehr langsam. Sie haben nur einen Grundschulabschluss, danach haben sie nie wieder eine Ausbildung gemacht, und sie haben das Lernen verlernt."

 

An der Prüfung hängt die Existenz


Bildunterschrift: Großansicht des Bildes mit der Bildunterschrift:  

 

Aber auch diejenigen, die mit besseren Chancen ins Rennen gehen, haben meist massive Angst vor der Prüfung. So wie Sunar. Er ist Schneider von Beruf und seit drei Jahren mit einer Frau in Deutschland verlobt. Nun hängt an der Prüfung seine gesamte Existenz: Ohne Zertifikat kein Visum, ohne Visum kein Zusammenleben mit seiner Frau.

 

Dazu kommt verbreiteter Unmut über das deutsche Gesetz. Eigentlich sollte die Änderung, die seit August 2007 gilt und einen allen "nachziehenden Ehepartnern" einen Sprachtest abverlangt, für bessere Integration in Deutschland sorgen und Zwangsehen möglichst verhindern. Doch viele türkische Ehepartner sehen sich diskriminiert. Zwar finden es auch die meisten von ihnen richtig, die Sprache zu lernen. Aber bei Amerikanern oder Japanern beispielsweise verzichten die deutschen Behörden auf das Zertifikat. Wer dagegen aus Afrika, Lateinamerika oder eben der Türkei kommt, muss den Schein präsentieren. Und tatsächlich ist seit der Gesetzesnovelle die Zahl der nachziehenden Ehepartner aus der Türkei deutlich gesunken: Im zweiten Quartal 2007, also vor der Gesetzesnovelle, gab es noch mehr als 2300 Visa für türkische Ehegatten. Im gleichen Zeitraum 2008 waren es weniger als 1800.

 

Nicht nur Migrantenverbände, sondern auch etliche Politiker und Juristen in Deutschland kritisieren das Gesetz, weil sie verfassungsrechtliche Bedenken haben. Und in Istanbul berichtet Sprachkurs-Koordinator Süleyman Türk von dramatischen Szenen: "Es ist schon vorgekommen, dass sich Leute scheiden lassen mussten, weil sie die Sprachprüfung nicht geschafft haben!"

 

Wohnen bei fremden Leuten


Die Zentrale des Goethe-Instituts Istanbul: Eine helle Altbau-Fassade unter blauem Himmel, davor die Fahne mit dem grünen Logo des Goethe-Instituts Bildunterschrift: Großansicht des Bildes mit der Bildunterschrift:  Die Zentrale des Goethe-Instituts Istanbul

Problematisch für viele Zuwanderungswillige ist auch, dass sie ihre Heimatorte verlassen müssen, um Deutsch zu lernen. Denn im Osten der Türkei, die sich über rund 1500 Kilometer bis zur iranischen Grenze erstreckt, gibt es keine Deutschkurse. Feridun Aytac lebt eigentlich 16 Bus-Stunden von Istanbul entfernt. Seine Stelle als Friseur musste er kündigen, um den Sprachkurs zu machen. Jetzt ist er bei der Familie seiner Schwester in Istanbul untergekommen. "Es gefällt mir gar nicht", sagt er, "ich ziehe mich da in ein Zimmer zurück. Aber ich hatte keine andere Wahl."

 

Gerne würde die Leiterin des Goethe-Instituts, Claudia Hahn-Raabe, auch im Osten des riesigen Landes Sprachunterricht anbieten. "Aber wir scheitern immer wieder an denselben Punkten", sagt sie: "Wir haben nicht genügend Lehrer, die das in Ostanatolien durchführen können. Und wenn wir genügend Lehrer hätten, dann wäre die Genehmigung vom Erziehungsministerium nötig. Das würde den Menschen sehr helfen".

Immerhin gibt es Hoffnung für alle, die weit weg von zu Hause für ihr Visum büffeln: Rund 90 Prozent der Kursteilnehmer beim Goethe-Institut bestehen auch die Prüfung.

 


Zwei Frauzen sitzen in der Cafeteria des Goethe-Instituts Istanbul, im Hintergrund weitere KursteilnehmerInnen

Ein Stück EmanzipationBildunterschrift: Großansicht des Bildes mit der Bildunterschrift:  

 

Wahrscheinlich gehört auch die 22jährige Yasemin dazu. Aufgeregt sitzt sie in der Cafeteria und trinkt eine Cola. Gerade hat sie ihre mündliche Prüfung absolviert und wartet gemeinsam mit einer Mitschülerin auf ihr Ergebnis. Die beiden wollen nach Norddeutschland, wo ihre Ehemänner arbeiten, und dort miteinander in Kontakt bleiben. Vielleicht wird die Freundschaft, die bei "Goethe" entstanden ist, noch wichtig werden in Deutschland: Sie könnte ein Stück Eigenständigkeit außerhalb der Familie bedeuten – so wichtig wie die deutsche Sprache. Und Süleyman Türk erzählt sogar von einer Kursteilnehmerin, die schon völlig verzweifelt war, weil sie keine Möglichkeit sah, die Prüfung zu schaffen. Als sie schließlich doch bestanden hatte, kam sie überglücklich zu ihm: Sie hatte jetzt nicht nur deutsch gelernt, sondern auch Selbstvertrauen gewonnen: "Das war ein großer Gewinn für sie - und für uns alle!"

 

Aya Bach

 
Категория: Страноведение | Добавил: admin1 (03.02.2009)
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