Wer als Deutscher mal
versucht hat, ein bisschen Türkisch zu lernen, kann das gut nachfühlen:
Ohne eisernes Auswendiglernen und Wiederholen geht nichts. Um die
Prüfung zu schaffen, muss man zum Beispiel nach dem Weg fragen oder
einkaufen können. Das klingt nicht unmöglich, ist aber für Einige eine
hohe Hürde, erzählt Süleyman Türk, der die Sprachkurse koordiniert:
"Manche lernen sehr langsam. Sie haben nur einen Grundschulabschluss,
danach haben sie nie wieder eine Ausbildung gemacht, und sie haben das
Lernen verlernt."
An der Prüfung hängt die Existenz
Bildunterschrift: Großansicht des Bildes mit der Bildunterschrift:
Aber auch diejenigen,
die mit besseren Chancen ins Rennen gehen, haben meist massive Angst
vor der Prüfung. So wie Sunar. Er ist Schneider von Beruf und seit drei
Jahren mit einer Frau in Deutschland verlobt. Nun hängt an der Prüfung
seine gesamte Existenz: Ohne Zertifikat kein Visum, ohne Visum kein
Zusammenleben mit seiner Frau.
Dazu kommt
verbreiteter Unmut über das deutsche Gesetz. Eigentlich sollte die
Änderung, die seit August 2007 gilt und einen allen "nachziehenden
Ehepartnern" einen Sprachtest abverlangt, für bessere Integration in
Deutschland sorgen und Zwangsehen möglichst verhindern. Doch viele
türkische Ehepartner sehen sich diskriminiert. Zwar finden es auch die
meisten von ihnen richtig, die Sprache zu lernen. Aber bei Amerikanern
oder Japanern beispielsweise verzichten die deutschen Behörden auf das
Zertifikat. Wer dagegen aus Afrika, Lateinamerika oder eben der Türkei
kommt, muss den Schein präsentieren. Und tatsächlich ist seit der
Gesetzesnovelle die Zahl der nachziehenden Ehepartner aus der Türkei
deutlich gesunken: Im zweiten Quartal 2007, also vor der
Gesetzesnovelle, gab es noch mehr als 2300 Visa für türkische
Ehegatten. Im gleichen Zeitraum 2008 waren es weniger als 1800.
Nicht nur
Migrantenverbände, sondern auch etliche Politiker und Juristen in
Deutschland kritisieren das Gesetz, weil sie verfassungsrechtliche
Bedenken haben. Und in Istanbul berichtet Sprachkurs-Koordinator
Süleyman Türk von dramatischen Szenen: "Es ist schon vorgekommen, dass
sich Leute scheiden lassen mussten, weil sie die Sprachprüfung nicht
geschafft haben!"
Wohnen bei fremden Leuten
Bildunterschrift: Großansicht des Bildes mit der Bildunterschrift: Die Zentrale des Goethe-Instituts Istanbul
Problematisch für
viele Zuwanderungswillige ist auch, dass sie ihre Heimatorte verlassen
müssen, um Deutsch zu lernen. Denn im Osten der Türkei, die sich über
rund 1500 Kilometer bis zur iranischen Grenze erstreckt, gibt es keine
Deutschkurse. Feridun Aytac lebt eigentlich 16 Bus-Stunden von Istanbul
entfernt. Seine Stelle als Friseur musste er kündigen, um den
Sprachkurs zu machen. Jetzt ist er bei der Familie seiner Schwester in
Istanbul untergekommen. "Es gefällt mir gar nicht", sagt er, "ich ziehe
mich da in ein Zimmer zurück. Aber ich hatte keine andere Wahl."
Gerne würde die
Leiterin des Goethe-Instituts, Claudia Hahn-Raabe, auch im Osten des
riesigen Landes Sprachunterricht anbieten. "Aber wir scheitern immer
wieder an denselben Punkten", sagt sie: "Wir haben nicht genügend
Lehrer, die das in Ostanatolien durchführen können. Und wenn wir
genügend Lehrer hätten, dann wäre die Genehmigung vom
Erziehungsministerium nötig. Das würde den Menschen sehr helfen".
Immerhin gibt es
Hoffnung für alle, die weit weg von zu Hause für ihr Visum büffeln:
Rund 90 Prozent der Kursteilnehmer beim Goethe-Institut bestehen auch
die Prüfung.

Ein Stück EmanzipationBildunterschrift: Großansicht des Bildes mit der Bildunterschrift:
Wahrscheinlich gehört
auch die 22jährige Yasemin dazu. Aufgeregt sitzt sie in der Cafeteria
und trinkt eine Cola. Gerade hat sie ihre mündliche Prüfung absolviert
und wartet gemeinsam mit einer Mitschülerin auf ihr Ergebnis. Die
beiden wollen nach Norddeutschland, wo ihre Ehemänner arbeiten, und
dort miteinander in Kontakt bleiben. Vielleicht wird die Freundschaft,
die bei "Goethe" entstanden ist, noch wichtig werden in Deutschland:
Sie könnte ein Stück Eigenständigkeit außerhalb der Familie bedeuten –
so wichtig wie die deutsche Sprache. Und Süleyman Türk erzählt sogar
von einer Kursteilnehmerin, die schon völlig verzweifelt war, weil sie
keine Möglichkeit sah, die Prüfung zu schaffen. Als sie schließlich
doch bestanden hatte, kam sie überglücklich zu ihm: Sie hatte jetzt
nicht nur deutsch gelernt, sondern auch Selbstvertrauen gewonnen: "Das
war ein großer Gewinn für sie - und für uns alle!"